Reisebericht und viele Bilder meiner Radpilgerreise von Retzbach am Main nach Santiago de Compostela
vom 01. Mai 2008 bis 03. Juni 2008

 

Michael + Karlheinz wieder zu Hause

auf den nachfolgenden Seiten sind kurze Berichte und viele Fotos der Pilgerreise hinterlegt. Für jeden Reisetag gibt es eine Seite, die Sie über das linke Auswahlmenü nach Datum auswählen können. Für evtl. Fragen und Hinweise können sie mich gerne kontaktieren - siehe Menü Kontakt in der Fußleiste. Ein kurzer Gesamtbericht ist gleich hier unten.
Viel Spaß beim Surfen auf meiner Pilgerhomepage, auf einen Eintrag ins Gästebuch würde ich mich freuen.

"Buen Camino"

Michael


Kurzer Gesamtbericht

Im Mai 2008 erfüllte ich mir einen langersehnten Wunsch, mit meinen Freund bin ich von Retzbach nach Santiago de Compostela gepilgert. Die Idee geisterte schon lange in meinem Kopf, schon bevor Hape Kerkeling sein berühmtes Buch schrieb. Für die lange Reise musste ich erst mal Urlaub ansparen und es war einiges an Vorplanung nötig. An Straßenkarten hatte ich 60 eingescannte DIN A4 Blätter im Maßstab von 1 :100 000 im Gepäck, was sich später als Glücksfall herausstellte. Wir fuhren zu 95 % Asphaltstraßen, die parallel zum Fußpilgerweg verliefen. Das gute Kartenmaterial war Garant dafür, dass wir uns so gut wie keine Umwege fuhren.
Start war am 1. Mai an der Kolpingkapelle Retzbach auf dem Benediktusberg, wo unserer Ortspfarrer uns noch den offiziellen Jakobus-Pilgersegen spendete.
Vollgepackt, jeder hatte ca. 20 kg Gepäck an seinem Drahtesel, ging es erst am Main entlang bis fast nach Ochsenfurt, über die Gaubahntrasse nach Rothenburg ob der Tauber. Die weitere Fahrt führte über das wunderschöne Launetal bis nach Ulm. Am Ulmer Münster gab es den begehrten Stempel für den Pilgerausweis. Die Stempel waren nicht immer leicht zu bekommen, es mussten oft mehrere Pfarrämter angefahren werden, um den Pilgernachweis zu bekommen.

In Friedrichshafen ging es mit der Fähre über den Bodensee in die Schweiz. Hier ging es an wunderbaren Radwegen der Thur entlang. Mit dem Boot haben wir den Zürichersee überquert und sind dann hoch zu Kloster Einsiedeln. Im Kloster war die erste Übernachtung mit anderen Pilgern, in einem barocken Schlafsaal mit pompösen uralten Betten.
Die nächste Tagesetappe führte uns über Schneefelder, wo wir unser Velo einige Höhenmeter schieben mussten, zum Vierwaldstätter See. Durch Lausanne ging es entlang des Genfer Sees zur französischen Grenze. Das Rhonetal durchquerten wir zweimal, danach kam das Zentralmassiv. Anders als erwartet, war dieses Gebirge um einiges anstrengender als die Alpen. Das ständige auf und ab zwischen den Gipfeln kostete viel Kraft und Zeit.
Mit Le Puy wurde am 14. Mai ein alter Wallfahrtsort passiert, an dem sich etliche europäische Jakobswege kreuzen und sich zum „Via Podiensis“ vereinen. Ab Le Puy gibt es Pilgerherbergen, so dass das teuere und teils mühselige Suchen nach einer bezahlbaren Nachtbleibe endlich ein Ende hatte.
Ein besonderer Höhepunkt der Fahrt durch Frankreich bot das Le Lot-Tal. Das 150 Kilometer lange Flusstal schlängelt sich durch enge Schluchten mit paradiesischer Natur und in die Felsen gebauten Häusern. Die französische Grenzstadt St. Jean Pied de Port erreichten wir am 20. Mai. In der Stadt wimmelt es nur so von Pilgern aus aller Welt, da die Stadt Startpunkt für den spanischen Teil des Weges ist, er heißt ab hier „Camino Francés“.

Am nächsten Morgen, die Pyrenäen vor den Augen, ging es 28 km bergauf über den Ibaneta Pass, danach abwärts nach Pamplona, der ersten großen spanischen Stadt am Jakobsweg.

Der Pilgerweg durch Spanien führt von dort über viele Pässe und Hochebenen an großen Getreidefeldern und kerzengeraden Straßen entlang zum Cruz de Ferro. Auf dem Gipfel des 1500 Meter hohen Berges legen vorbeikommende Pilger mitgebrachte Steine am Eisenkreuz nieder. So legte auch ich einen kleinen Stein vom Benediktusberg aus Retzbach auf den mittlerweile einige Meter hohen Haufen. Wer hier allerdings glaubt, in dem sonnigen Urlaubsland kann dann auch die Bräune aufgefrischt werden, wird enttäuscht sein. Bei Temperaturen, die teilweise nur 5 Grad Celsius betrugen, waren bei Regen und Hagel zeitweise sogar Handschuhe vonnöten, um die Reise fortsetzen zu können.

Die Stille und meditative Atmosphäre, aber auch das Ankämpfen gegen die Naturkräfte zum Cruz de Ferro sind unvergesslich in meinen Körper eingemeißelt. Die Städte Santo Domingo, Burgos, Leon und Astorga mit ihren wunderschönen gigantischen Bauwerken und Kathedralen werden mir in stetiger Erinnerung bleiben.

Die letzten Pässe, der Cebreiro und der Alto do Poio wurden bezwungen, am 31. Mai um 09:15 Uhr erreichten wir die Kathedrale Santiago de Compostela.

Dieser Moment war für mich unvergesslich, ich war glücklich und zugleich vollkommen erschöpft. Sogar die Stimme hat es mir verschlagen, wer mich kennt, wird dies nicht glauben.

Natürlich erlebte ich auf der Pilgerreise sehr viel. In Frankreich hatten wir viele Probleme mit der Verständigung, da weder Englisch noch Deutsch verstanden, bzw. akzeptiert wird. Es half nur Zeichensprache, irgendwie haben wir es aber immer wieder geschafft, ein Nachtlager zu finden. Die Begegnungen mit den vielen Pilgern aus aller Welt, das Kennen lernen ihrer verschiedenen Charaktere empfand ich als faszinierend und bescherte mir viele kurzweilige Abende. Doch auch die Nächte konnten durchaus sehr kurz sein: Die Übernachtungen in Schlafsälen mit bis zu 200 weiteren Pilgern waren gewöhnungsbedürftig. Da waren Berührungsängste, ein empfindliches Näschen und ein leichter Schlaf fehl am Platz. Ideal war, dass wir die die Reise zu zweit angetreten haben. Ohne gegenseitige Motivation wären manche Tiefpunkte bestimmt schwieriger zu überwinden gewesen.

Und auch zu zweit kam die Besinnung nicht zu kurz: Über weite Strecken wurde manchmal kein Wort gewechselt und jeder ließ seine Gedanken schweifen. Auch der Rhythmus der Pedale und des Tretens ließ mich in eine ganz eigene Meditation fallen.
Zurück ging es am 03. Juni mit dem Flugzeug. 2800 km waren abgeradelt und ca. 30.000 Höhenmeter überwunden.
Mein persönliches Resümee: „Die wunderschönen, ständig wechselnden Landschaften, Regen, Wind, offener Himmel und Sonne, die Begegnungen mit Pilgern aus allen Ländern, die Übernachtungen in den sehr unterschiedlichen Herbergen, aber auch die Stille und Weite auf dem Fahrrad, der Rhythmus der Pedale hat sich positiv in mein Herz eingebrannt. Ich durfte die Schöpfung in ihrer wohltuenden Kraft spüren. Man kann von der Pilgerreise erzählen, Bilder zeigen, aber eigentlich kann man sie nur erleben.“